Künstler aus der verschollenen Generation

schwesig2
Karl Schwesig: „Und nun wurde mir, da ich nach Meinung der Nazis als Intellektueller ein ‚Kopfarbeiter’ war, der Kopf bearbeitet, mit zwei Peitschen (gespickt mit Messingknöpfen) und einem Ochsenziemer.“ (Blatt 11 der Folge „Schlegelkeller“, 1935/36/Foto: Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf)

Die nationalsozialistischen Machthaber haben nach 1933 fast alle deutschen Künstler von Bedeutung verfolgt, ausgestoßen, ins Exil gejagt oder in den Freitod getrieben. Ihre Werke wurden aus den Museen verbannt, vernichtet oder ins Ausland verschoben. All das, was die moderne Kunst in Deutschland ausmachte und ihr Weltgeltung verschaffte, wurde ausgerottet und durch einen engstirnigen, deutschtümelnden und kleinkarierten Nationalismus ersetzt – ein Nationalismus, der die geringste freiheitliche Regung unterdrückte und alle, die sich nicht beugten, mit Kerkerhaft, Folter oder Mord terrorisierte.

Bis 18. Mai zeigt die Städtische Galerie Werke aus der Generation der verschollenen Künstler. Die Ausstellung wird am Freitag, 28. Februar, um 19.30 Uhr eröffnet. Kurator Klaus Kösters ist auch am 6. April in Lüdenscheid zu Gast. Er hält ab 18 Uhr in den Museen einen Vortrag über die Ausstellung „Anpassen – Überleben – Widerstand“. b 18 Uhr hält er in den Museum

Als volksschädliche „Verfallskunst“ gebrandmarkt

Die übergroße Mehrzahl der um 1890/1905 geborenen Künstler war 1933 zu jung, um einen Namen zu haben. Sofern sie sich nicht den ideologischen Vorstellungen der NS-Funktionäre anpassten, gerieten sie ins Abseits oder gingen ins Exil. Die in Deutschland verbliebenen Frauen und Männer wurden von den Strömungen der internationalen Kunst abgeschnitten und ihre eigenen Arbeiten als volksschädliche „Verfallskunst“ gebrandmarkt. Sie wurden mit Mal- oder Ausstellungsverbot bedroht, die ihre gesamte künstlerische und private Existenz gefährdete und vernichtete. Sie gerieten in Vergessenheit.

Viele standen wieder vor dem Nichts

Nach dem Ende der Naziherrschaft standen viele erneut vor dem Nichts. Den Bombardierungen der Städte waren auch zahlreiche Ateliers zum Opfer gefallen und unzählige Werke vernichtet. Jetzt nach Kriegsende gewann die abstrakte Kunst in Westdeutschland die Vorherrschaft, während in Ostdeutschland der Sozialistische Realismus als alleiniger Kunststil verordnet wurde. Wer sich nicht anpasste, geriet zum zweiten Mal ins Abseits und wurde erneut vergessen.

Kampf um die Identität

Den Künstlern dieser „verschollenen Generation“ gilt die Aufmerksamkeit dieser Ausstellung, die vom Museumsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) konzipiert worden ist. Sie geht der Frage nach, wie Künstler während des Nationalsozialismus auf ideologische Beeinflussung, Kunstzensur, Überwachung bis hin zu Arbeits- und Ausstellungsverbot reagierten. Wie versuchten Künstler, ihre künstlerische Identität zu erhalten?

Die Schicksale der in der Ausstellung versammelten Künstler zeigen die gesamte Bandbreite der damals möglichen Reaktionen – also nicht nur die verfemten und verfolgten Künstler, die in die innere Emigration, ins Exil oder in den aktiven Widerstand gingen, sondern auch die Angepassten und Überzeugten, die sich der nationalsozialistischen Kunstdoktrin unterordneten.

Begleitbuch für breites Publikum

Klaus Kösters als Kurator der Ausstellung wählte ausschließlich Künstler aus, die in Westfalen geboren wurden oder längere Zeit ihres Lebens dort gewohnt haben. Das von Klaus Kösters herausgegebene Begleitbuch zur Ausstellung stellt die verschiedenen Künstler mit ausgewählten Werken vor. Da es bisher eine solche Publikation in Nordrhein-Westfalen noch nicht gibt, ist dieses Begleitbuch nicht als wissenschaftlicher Katalog konzipiert, sondern eher für ein breites Publikum geschrieben, um die heute zumeist vergessenen Künstler wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.

Das Begleitbuch erscheint im Aschendorff-Verlag in Münster in Kooperation mit dem Lippischen und dem Westfälischen Heimatbund.