„Deep Purple“ in Trümmern

1970-12-08 Deep Purple Plakat
Das Cover von „Deep Purple in Rock“war die Vorlage für das Plakat, mit dem für das Konzert in Lüdenscheid und ganz NRW geworben wurde.

von Wolfgang Teipel

8. Dezember vor 43 Jahren: Wohl selten wurde ein Konzert von jungen Leuten in Lüdenscheid so sehnlich erwartet. Wohl selten wurden sie von internationalen Top-Stars so enttäuscht. Das Konzert mit „Deep Purple“ in der Schützenhalle entwickelte sich zum Desaster. Doch der Reihe nach.

1969 Deep Purple
So sahen „Deep Purple“ 1969 aus. Foto: www.lastfm.de

In den 60er Jahren hatte sich die Bergstadt zu einem Zentrum für Beatmusik entwickelt. Motor war der damalige Stadtjugendpfleger und Geschäftsführer des Jugendkulturrings „Gotti“ Schumann. Allein im Jahr 1970 gab es 37 Veranstaltungen, darunter auch Festivals mit mehreren Bands. Von Udo Jürgens und den Ali Claudi Soul Four über die Lords, Shocking Blue, Golden Earing bis zu Bands aus der Region wie The Look oder Autumn Decease war alles dabei. Auch Cindy und Bert.

Im Zenit ihres Erfolges

Absoluter Höhepunkt sollte das „Deep Purple“-Konzert in der Schützenhalle werden. Die Band stand damals im Zenit ihres Erfolgs. Gerade war das legendäre Album „Deep Purple in Rock“ erschienen. Das Cover zeigt die fünf Musiker, eingemeißelt in den amerikanischen Heldenberg Mount Rushmore.

Eintrittskarte
Erinnerungsstück: eine abgerissene Eintrittskarte.

Pfiffe aber die Fans blieben

In der Bergstadt erschienen nur vier. Gitarrist Richie Blackmore, von vielen für sein Spiel vergöttert, war erkrankt. Deep Purple ohne Gitarre? Eigentlich undenkbar. Aber die Fans blieben. Immerhin hatten sie elf Mark Eintritt bezahlt. „Vereinzelte Pfiffe verstummten, als die Band die Bühne betrat“, erinnert sich der Lüdenscheider Journalist Klaus Tiedge. „Da waren sie, die Stars, die man sonst nur aus dem Fernsehen oder aus der Bravo kannte, hautnah zum Anfassen.“ Auf der Setlist stand auch das berühmte „Child in time“.

Ian Gillans Stimme versagt

Hier versagte schließlich die Stimme von Sänger Ian Gillan. „Danach verließ er die Bühne, seine Kollegen machten mit einem Instrumentalstück weiter und gingen dann auch hinter die Bühne“, erinnert sich Tiedge weiter. Zunächst habe das Publikum geglaubt, die Band lege eine Pause ein. Längere Zeit habe sich nichts getan. Dann sei durchgesickert, „Deep Purple“ habe das Konzert abgebrochen. Flaschen flogen.

Lautsprecherboxen werden zertrümmert

Lautsprecherboxen wurden zertrümmert und wurden von der Bühne geworfen. „Es war eine Hysterie. Die Leute waren nicht mehr zu halten“, schreibt Tiedge in seinen Erinnerungen an das Katastrophen-Konzert im Buch „Die besten Tage unseres Lebens“ (erschienen beim Geschichts- und Heimatverein Lüdenscheid).

In der Öffentlichkeit sorgten die Vorfälle für großes Aufsehen. Das Management der Band erklärte, man habe „sich sehr auf dieses Konzert gefreut“, doch sei Blackmore „ernsthaft erkrankt“ und Ian Gillan habe an einer leichten Lungenentzündung und Bronchitis gelitten.

Strapaziöse Tournee über Monate

Das waren möglicherweise Folgen der strapaziösen Tournee, auf der sich die fünf Musiker befanden. Vor ihren Auftritt in Lüdenscheid hatten sie bereits in elf anderen deutschen Städten gespielt, nachdem sie zuvor monatelang in den USA, in Frankreich, Großbritannien und Skandinavien unterwegs gewesen waren.

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Gottfried „Gotti“ Schumann musste Kritik einstecken.

Selbstverständlich hatte das alles ein Nachspiel. Der damalige Schützenoberst Wilhelm Brauckmann sprach ein Nutzungsverbot für zukünftige Musikveranstaltungen aus. Später wurde es zurückgenommen. Außerdem zogen „Mama Records“ und der Jugendkulturring wegen der Vorfälle vor Gericht.

Vergleich zwischen Management und „Gotti“ Schumann

Das Verfahren zog sich hin. Ein Vergleich, der auf die Auszahlung der einbehaltenen restlichen Gage von 8000 Mark und auf Schadenersatz von 20 000 Mark für das ramponierte Equipment der Band hinaus laufen sollte, wurde nicht akzeptiert. Im Mai 1972 wurde ein weiterer Vergleichsversuch angenommen. Der Jugendkulturring bezahlte 5000 Mark an Mama Records. Die verbliebenen 3000 Mark reichten für Gerichts- und Anwaltskosten. Außerdem wurden davon Reparaturarbeiten in der Schützenhalle bezahlt.

Im Gedächtnis der Band ist der Vorfall als „erste echte Randale“ (Roger Glover) hängengeblieben.

Quellen:

Dr. Dietmar Simon und Michael Nürenberg „Die besten Tage unseres Leben (Geschichts- und Heimatverein Lüdenscheid), 19,80 Euro

„Der Reidemeister“, Geschichtsblätter für Lüdenscheid Stadt und Land (Nr. 1923, 28. November 2012)

Fotos aus dem Besitz von Michael Nürenberg

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