Lebendige und interaktive Installationen
Die amerikanische Künstlerin Amy Youngs (*1968) entwickelt ihre Arbeiten in den Bereichen interaktive Installation und digitale Medienkunst. Der thematische Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit liegt in der Darstellung des komplexen Verhältnisses zwischen der technologisierten Umwelt einerseits und unserer sich wandelnden Vorstellung von Natur – und damit auch von uns selbst – andererseits.
Ihre lebendigen, interaktiven Installationen sind vielfach aus natürlichen Materialien wie Humus, Wasser, Erde, Pflanzen gefertigt. Sie werden teilweise durch lebende Tiere ergänzt. Funktionierende Innenraum-Ökosysteme werden künstlich komponiert.
2010 präsentierte sie in der RedLine Gallery in Denver die Arbeit „River Construct“. Sie steht beispielhaft für zahlreiche Installationen, bei denen sich das Interesse der Künstlerin auf die Darstellung unabhängiger, auf sich selbst bezogener funktionierender Ökosysteme fokussiert. In diesem Fall handelt es sich um ein artifiziell nachgestelltes, natürliches Ökosystem aus fließendem Wasser, Pflanzen und Kaninchen (der Kot der Tiere wird kompostiert, die Pflanzen wachsen und werden verfüttert etc.)
Ein anderes, aktuelleres Beispiel wäre die „Machine for Living Interdependently – rocking chair powered vermiponics” von 2012.
Auch in ihrer digitalen Medienkunst sind Tiere und Natur und das Verhältnis zu unseren Lebensgrundlagen immer wieder Thema. In der Videoinstallation „Exquisite Bodies“ (2008), das im Columbus Museum of Science and Industry gezeigt wird, werden fünf Videos auf unregelmäßig geformte Bildträger projiziert, die wie ein Mobile von der Decke herabhängend arrangiert sind. Die Filme zeigen Aufnahmen aus Natur und urbanem Umfeld von Ohio. Es ist ein vieldimensionales Spiel zwischen Stillstand und Bewegung, Natur und Technik und naturverbundenem und städtischem Leben.
Ein anderes Beispiel ihrer digitalen künstlerischen Arbeit ist „Sceenwindow“ von 2013. Hier beobachtete Amy Youngs über lange Zeit das Empire State Building durch das Auge einer Webcam (Empire 24// at http7/live.thing.net). Sie verfolgte die Veränderungen des Lichtes, des Wetters, die sich wandelnden Wolkenformationen und die variierenden Beleuchtungen des Gebäudes aus der Entfernung und Distanz des „fremden Auges“. Gleichsam aus zweiter Hand baut sie eine Beziehung zu dem Ort auf, die sie in Form von aneinander gereihten Fotos tagebuchartig dokumentiert.
Bei den Lichtrouten 2013 in Lüdenscheid präsentierte sie eine Variation des „Holodecks für Grillen“, die Amy Youngs schon 2005 realisierte – kleine künstliche Landschaften mit digital simulierter Natur. Die Grillen, die sie bewohnen, können die Landschaftsbilder aktivieren, wenn sie zirpen. Übrigens wohnen in den künstlichen Landschaften nur männliche Grillen. Nur sie sind nämlich aufgrund ihrer besonderen Strukturen auf den Flügeln fähig, zu zirpen. Bei der Lüdenscheider Variante konnten die Besucher/innen vor eine Kamera in einer „Blue Box“ treten und Teil einer Live-Dokumentation vom „Holodeck für Grillen“ werden.
Ähnlich verhält es sich bei „Superstar Webcam Animals“ (2009). Amy Youngs beobachtet Tiere, deren Leben im Internet verfolgt werden kann. Durch die lange Betrachtung dieser Tiere und durch die Tatsache ihrer – zumindest visuellen – „Verfügbarkeit“ rund um die Uhr baut sie eine Beziehung zu den Geschöpfen auf. Sie vergleicht diese Verbindung mit der Beziehung zu einem echten Haustier. Amy Youngs verarbeitet diese Erfahrung von gleichzeitiger persönlicher Nähe und technischer Distanz, die sie mit vielen weiteren Besuchern der Webcams teilt, indem sie die Tiere auf Buttons in einer Vitrine präsentiert.
Die ausgewählten Arbeiten machen ihre künstlerischen Auseinandersetzungen mit den Themenfeldern Technik und Natur deutlich. Ihre Position erläutert sie in einem Statement:
“In der Collage von synthetischen, natürlichen, tierischen und menschlichen Materialien untersuche ich in meinen künstlerischen Arbeiten das konfliktreiche Verhältnis, das unsere Kultur zur Natur entwickelt. Mein persönlicher Ausgangspunkt war ein neunjähriges Experiment, in dem ich eine spezielle Art von Bühnenkaninchen züchtete. Ich ging der Obsession eines „perfekten Kaninchens“ nach und hatte das Gefühl, dass ich die natürliche Welt tatsächlich verändern könnte. Es war ein sehr starkes Gefühl; und dennoch, die Tatsache, dass ich diese Kaninchen nach einer menschlichen Idee veränderte, war zugleich beunruhigend. Teil der selektiven Zucht ist auch die „Nicht-Auswahl“ vieler Tiere. Vor vielen Jahren gab ich diese Kaninchenzucht auf, aber mein Interesse, einen idealen Naturzustand durch technische Kontrolle erlebbar zu machen, ist geblieben. Meine Arbeit bezieht die Betrachter/innen auf visueller, taktiler und auditiver Ebene mit ein, um einen Dialog über die Beziehung von Technologie, unserem sich verändernden Naturbegriff und uns selbst zu initiieren. Mich interessiert, wie wir mit unseren verbesserten und erweiterten menschlichen Möglichkeiten die Welt in Mikro- und Makro-Modi wahrnehmen, sie durch und durch erkunden können und sogar Versuche machen, um ökologische Fehler der Vergangenheit zu beheben. Dass Technologie gleichzeitig ruinieren und offenbaren, neu erfinden und reparieren kann, ist das Paradoxon, um das meine Arbeit kreist.”
Vita
1968 geboren in Chico (us)
1997 – 1999 School of the Art Institute of Chicago, Chicago (us)
1988 – 1991 San Francisco State University, San Francisco (us)
1986 – 1988 California State University, Chico
Amy Youngs ist außerordentliche Professorin für den Fachbereich Kunst
an der Ohio State University, Columbus, Ohio.
Zahlreiche internationale Ausstellungen (Auswahl)
2012 l Kosice (sk) l New Media Gallery l „Bioart: LIFEAFFAIRS”
2012 l Columbus (us) l Urban Arts Space l „Inosculation”
2011 l York (us) l York Arts Gallery l „Biological Aesthetics”
2011 l Peking (cn) l National Art Museum of China l „Translife: International Triennial of New Media Art”
2011 l Cleveland (us) l Spaces Gallery l „The New Agronomists”
2011 l Cincinnati (us) l DAAP Galleries l „Video Sculpture”
2011 l New Haven (us) l Seton Gallery, University of New Haven l „Loss Generation” l Kurator/in: Christina Vassallo
2010 l Denver (us) l Redline l „Artist Footprints” l Kurator/in: Viviane Le Courtois
2010 l Coshocton (us) l Pomerene Center for the Arts l „Make it Grow” l Kurator/in: Anne Cornell
2009 l Columbus (us) l Hopkins Hall Gallery l „New Works, Amy Youngs and Ed Valentine” l Kurator/in: Prudence Gill
2009 l Lissabon (pt) l Cordoaria l „INSIDE: Art and science” l Kurator/in: Leonel Moura
2009 l Nijmegen (nl) l Extrapool l „Anderhalfwitavond” l Kurator/in: Helma Voskuylen.
2008 l Trondheim (no) l Trondheim Centre for Contemporary Art l „Hybrider” l Kurator/in: Espen Gangvik
2008 l Wellington (nz) l Museum of New Zealand l „Kick the Habit, World Environment Day” l Kurator/in: Randy Rosenberg
2008 l Minneapolis (us) l Katherine E. Nash Gallery l „Culturing Nature::Culturing Technology” l Kurator/in: Diane Willow
2007 l Toledo (us) l Walter E. Terhune Gallery l „Make Art” l Kurator/in: Wynn Perry
2007 l Sevilla (es) l Centro Andaluz de Arte Contemporáneo l „Artbiotics – Bios 4” l Kurator/in: Antonio Cerveira Pinto
Auszeichnungen
2008 l Wellington (nz) l United Nations World Environment Day l “Green Leaf Artist Award”
2004 l Springfield (us) l Springfield Museum of Art l „Renee Steidle Award”
2003 l Cleveland (us) l Cleveland State University Art Gallery l „Second Cleveland Biennial Juried Exhibition” l Kurator/in: Timothy Wride I Awarded Best in Show
2002 l Columbus (us) l Ohio Arts Council l „Individual Artist Fellowship”
2008 l Ken Rinaldo und Amy Youngs l Foto Amy Youngs (2)
2011 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs
2009 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs
2008 l Ken Rinaldo und Amy Youngs l Foto Amy Youngs (1)
2006 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs
2005 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs (7)
2005 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs (8)
2005 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs (9)
2005 l Amy Youngs l Foto Amy Youngs (10)