Rebecca Horn, eine der vielseitigsten deutschen Künstlerinnen, ist tot. Sie starb am 6. September im Alter von 80 Jahren. Mit einem poetischen, rätselhaften und vielschichtigen Werk hat sich die gebürtige Hessin ins Gedächtnis eingeschrieben. Ob die frühen Federgewänder und Korsettkleider, die Lärmmaschinen oder die politisch aufgeladenen Rauminstallationen – immer geben ihre Arbeiten dem Betrachter Raum, sich anrühren zu lassen und die Fantasie auf Reisen zu schicken.
Seit 2006 zeigt das Lichtkunstzentrum Unna in seiner Dauerausstellung ihre Installation „Lotusschatten“.
„Unter dem Wasser schlafen und Dinge sehen, die sich in weiter Ferne abspielen“ – diesen Satz schuf Rebecca Horn nicht für diese Arbeit; er stammt vielmehr schon aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts und ist der zweite Titel ihrer sogenannten performativen Berlin-Übungen, aber er trifft in besonderer Weise auch auf den „Lotusschatten“ zu. Die Installation, ein Becken, aus dessen Dunkel sich kupferrote Stängel hervorwinden, ist im Internationalen Lichtkunstzentrum Unna, zu sehen.
Langsam wanderndes Licht
Sie enden in neun ebenfalls kupfernen tütenförmigen Blüten oder Samenbehältern (Lotusfruchtstände haben tütenförmige Gestalt), die – nicht alle – mehr oder weniger nach oben gerichtet sind und in denen sich runde Glasscheiben im Licht der Scheinwerfer sanft drehen, sodass das langsam wandernde Licht als eine Art erleuchteter Schatten – Doris von Drathen spricht von „Schatten aus Helligkeit“ – auf den Boden, an die Wände und die Decke des Raums geworfen wird.
Dazu kommt die sphärenhafte Musik des neuseeländischen Komponisten Hayden Chisholm. Sie schafft ihrerseits einen Raum, eine Art akustische Antwort auf die Skulptur, die deutlich Töne vom Meeresgrund, wie etwa die sonoren Laute von Walen, mit Choralklängen vermischt.
„Hauchkörper als Lebenszyklus“ – so hieß eine der letzten Ausstellungen von Rebecca Horn. Eine Arbeit dort ist im Nachhinein besonders anrührend: In einem Bronze-Abdruck ihrer Schuhe bewegen sich taumelnd zwei meterhohe filigrane Messingstäbe, ohne von der Stelle zu kommen. Nach einem Schlaganfall 2015 saß Horn im Rollstuhl.