von Wolfgang Teipel
Ein Foto von László Moholy-Nagy aus dem Jahr 1926 in Dessau und ein früheres aus dem Jahr 1923 in Berlin zeigen den Künstler in seinem Atelier an der Staffelei in Blouson und Bundhose. So oder so ähnlich könnte auch der Mann an einer Tankstelle draußen ausgesehen haben. Moholy-Nagy befand sich aber schon damals in einer herausgehobenen Position. Unter den Bauhausstars wie Gropius oder Feininger war er der jüngste und leitete zu dieser Zeit die Metallwerkstätten. Die Berufskleidung des Mannes, der privat gern im eleganten Tuch daherkam, zeigt viel vom Selbstverständnis des Künstlers. Was macht Moholy-Nagy beim der zeitgenössisch geprägten Forum für Licht in Kunst und Design? Die LichtRouten feiern in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Das wird gefeiert. Und dazu gehört auch ein Blick in die Geschichte der Lichtkunst.
Genie und Arbeiter
Moholy-Nagy war unumstritten ein Genie und zugleich ein Arbeiter beim Ausbau der industriellen Moderne. Das 1895 in Ungarn geborene Multitalent experimentierte mit seinem vielfältigen Kunstanspruch und –verstand zum Nutzen der Industriekultur und der folgenden Konsumgesellschaft. Er sah als erster die Gleichzeitigkeit der Medien und versuchte sie in seinem Werk zu zeigen. Später gingen viele Künstler darauf ein.
Freie Geister im Bauhaus
Warum zog das von dem Architekten Walter Gropius 1919 gegründete staatliche Bauhaus den vielseitigen Mann so an? Erklärtes Ziel dieser Kunstschule war es, als neue Form der Arbeitsgemeinschaft die Trennung zwischen Künstlern und Handwerkern aufzuheben, gesellschaftliche Unterschiede zu beseitigen und zur Völkerverständigung beizutragen. Im Bauhaus arbeiteten freie Geister. Noch heute gilt es als die Heimat der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Künste.
Filme, Fotogramme, Bühnenbilder und Beleuchtungskonzepte fesselten den vielseitigen Mann. Im Licht lag für ihn der Ursprung der Kunst. Bei der Darstellung von entmaterialisierten Lichtphänomenen bevorzugte er die neuen technischen Medien. Höhepunkt seiner lichttechnischen Experimente war die Konstruktion des „Lichtrequisits“ (Licht-Raum-Modulator 1922 – 1930) – eine bewegliche Skulptur aus Metall und Glas. Mit diesem Werk wurde László Moholy-Nagy zum prophetischen Vorreiter späterer kinetischer Skulpturen. Die Lichtartikulation dieser rotierenden Skulptur verfilmte er 1930 in den visuell eindrucksvollen Überblendungen seine Experimentalfilms „Lichtspiel Schwarz-Weiß-Grau“.
Dieser Apparatur ist das LichtRouten-Projekt gewidmet (Standort: Forum am Sternplatz). Im Film zu sehen sind viele Detailaufnahmen, die Scheiben, Rastern, Objekten und ihren Erscheinungsformen im Licht zeigen und zugleich Einblick in das ausgeklügelte System von mechanischen Bewegungen, Projektionsverläufen und Betrachtungsperspektive gewähren.
Lichtlabor in Chicago
Moholy-Nagys Ideen gingen aber noch weiter. So gehörte er auch zu den Vordenker/innen, die sich Lichtfresken, Polykinos und Wolkenprojektionen als Teil zukünftiger Stadtbilder wünschten.Seinen langehegten Wunsch zur Einrichtung eines Lichtlabors konnte László Moholy-Nagy übrigens erst nach seiner Übersiedlung in die USA umsetzen. 1936 wurde er auf Empfehlung von Walter Gropius Leiter des New Bauhaus in Chicago. Jetzt verfügte er endlich über den Freiraum und die finanziellen Mittel, die ihm weitere Arbeiten mit Licht ermöglichten. László Moholy-Nagy starb 1946 an Leukämie.