Atemholen in der Erlöserkirche

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Dmitri Grigoriev brillierte in der Erlöserkirche als Interpret barocker, klassischer, romantischer und moderner Werke. Foto: Jakob Salzmann

    von Monika Salzmann

Bei Kerzenschein und stimmungsvollem Licht lud Kreiskantor Dmitri Grigoriev am Samstagabend in der Erlöserkirche zu einer Meditationsstunde mit Klaviermusik aus mehreren Jahrhunderten ein. Im Rahmen der LichtRouten brillierte Grigoriev als virtuoser, bemerkenswert musikalischer Interpret barocker, klassischer, romantischer und moderner Werke.

Lyrisches Fabulieren

Nicht nur die spieltechnische Perfektion, mit der er die Epochen durchstreifte, auch der Farbenreichtum und die Ausdruckskraft, die sein Spiel auszeichneten, begeisterten. Unendlich zartes, lyrisches Fabulieren, das innerste Seiten anrührte, ging mit kraftvollem, sprühend vitalem Musizieren, rasanten Läufen, perlenden Arpeggien, weiten Sprüngen und raschen Tonrepetitionen einher. Von Bach bis Rachmaninoff, von Scarlatti bis Scriabin reichte das farbige, mit liebevoller Hand zusammengestellte Programm. Mit einer musikalischen Einladung zum Gebet („Prière“) rundete der Komponist Grigoriev den erbaulichen, anregenden Ohrenschmaus.

Konzert sehr gut besucht

Sehr gut besucht war das LichtRouten-Konzert bei Kerzenschein, das Gelegenheit zum Innehalten und Atemholen bot. Nichts lenkte von der Musik, dem bald träumerischen, bald ungestümen Schwelgen in berauschenden Klangwelten ab. Nicht zuletzt das abgedämpfte, sparsame Licht in der nur von Kerzen schwach erhellten Kirche trug zum intensiven Musikerlebnis, das der Abend bot, bei.

Mit Bach, in dessen Schaffen das Klavier eine herausragende Stellung einnimmt, begann und endete die musikalische Meditation. Ganz im Sinne der Einheit barocken Denkens umschlossen Bachs Aria mit reichen Spielfiguren-Variationen über durchgängiger Bassstimme und sein von Alexandre Siloti einfühlsam arrangiertes Prélude das Programm wie eine äußere Klammer.

Stilsicher und nuancenreich

Stilsicher und nuancenreich machte Dmitri Grigoriev mit unterschiedlichen Handschriften, sich wandelndem Zeitgeschmack und fortschreitender Suche nach neuen Ausdrucksformen bekannt. Mit Scarlatti (Sonata f-Moll op. 118), dessen Sonaten sich durch ausgesprochene Originalität auszeichnen, kündigte sich der Empfindsame Stil des frühen 18. Jahrhunderts an. Ein schier unerschöpflicher Reichtum an Takt- und Tonwechseln  – glänzend zum Vorschein gebracht – zeichnete anschließend das Finale aus der Sonate As-Dur op. 110 Beethovens aus.

Eigenwillige Tonsprache

Über romantische Impromptus aus der Feder Franz Schuberts führte der Weg ins frühe 20. Jahrhundert, eine Zeit gespannter Erwartung und eines Umbruchs in der Musik. Bei Vertretern der klassischen Moderne wie Alban Berg, Sergei Rachmaninoff und Alexandre Scriabin machte Grigoriev Halt. Besonders Scriabin, der im Lauf der Zeit eine eigenwillige Tonsprache, gleichsam eine Vorform der Zwölftontechnik entwickelte, widmete er seine Aufmerksamkeit. Russische und deutsche Tradition vereinten sich Nikolai Medtners Märchenerzählung op. 20 Nr. 1, in der sich die (Spät)Romantik noch einmal eindrucksvoll zu Wort meldete.